Fleisch aus dem Labor

Noch ist es Zukunftsmusik, aber in den USA arbeiten Forscher bereits mit Hochdruck am In-Vitro-Fleisch. „Es ist eine Frage der Zeit und eine Frage des Geldes“, sagt Bio-Ingenieur Vladimir Mironov. Geld kommt inzwischen unter anderem von der Tierrechtsorganisation Peta. Nur der Faktor Zeit lässt sich so schnell nicht aus der Welt schaffen. Bislang ist eine Fleischzucht in großen Mengen nicht möglich. Zum Glück, wie ich finde.

Denn so bleibt die Zeit, sich kurz ein paar Gedanken über dieses zukünftige Kunstfleisch zu machen. Gleich zwei Mal begegnete mir das Thema beim Stöbern in anderen Blogs – und brachte mich zum Nachdenken.

Massentierhaltung überflüssig

Auf der einen Seite stellte ich mir die persönliche Frage: Würde ich dieses Fleisch essen? Klar, es entkräftet im Grunde alle Argumente, vegan zu leben. Die Massentierhaltung wäre überflüssig – eine wunderbare Vorstellung: Keine Mastställe mehr, keine Schlachthöfe, keine Umweltverschmutzung, keine Ressourcenverschwendung.

Aber mal ehrlich: Ein Würstchen aus dem Labor? Lecker klingt das nicht – und ich bin sicher nicht die Einzige, die mit dieser Vorstellung ihre Probleme hat (sicher wird auch vielen Fleischessern der Appetit vergehen). Jetzt, wo die ökologische Produktion von Lebensmitteln langsam auf dem Vormarsch ist, sollen wir uns plötzlich für die künstliche Herstellung entscheiden? Wir sollen ein chemisches Experiment konsumieren, während gleichzeitig die vielen ungesunden Fertigprodukte mit ihren unzähligen Zusatzstoffen verteufelt werden?

Keinen Bezug zur Nahrung

Ich persönlich kann mich damit nicht anfreunden. Zumal Laborfleisch eine sehr positive Entwicklung aufhalten würde, die ich in letzter Zeit beobachte: Die Menschen finden wieder einen Bezug zu ihren Lebensmitteln. Sie gehen auf den Markt, verwenden frische Produkte, kochen wieder selbst und möchten wissen, woher ihr Gemüse eigentlich kommt – und wann es in ihrer Region überhaupt wächst. Dieses natürliche Verständnis von Nahrung ist uns abhanden gekommen, dabei ist es unerlässlich. Regionalität ist eine der wichtigsten Antworten auf eine aus den Fugen geratene Globalisierung. Und wenn mein Schnitzel aus einem Labor kommt, stärkt das wohl nur bedingt meine Verbundenheit zur Region und ihren Produkten, sondern vielmehr die gefährliche Vorstellung, dass alles jederzeit zu haben ist.

Thema Nachhaltigkeit

Und damit komme ich zu der größeren Dimension, die das In-Vitro-Fleisch für mich hat. Es greift exemplarisch ein Thema auf, mit dem ich mich in letzter Zeit eingehender beschäftigt habe: Nachhaltigkeit. Es gibt die unterschiedlichsten Auffassungen darüber, ob und wie eine Gesellschaft nachhaltig leben kann. Die einen halten es für möglich, unsere (wachstumsorientierte) Lebensweise auf rein technischem Wege so zu optimieren, dass wir weniger Ressourcen verbrauchen und die Umwelt schonen. Die anderen sind sich einig, dass der technische Weg allein nicht die Lösung ist, weil er nur scheinbar die Probleme der Zukunft löst. Wir müssen unsere Lebensweise nicht nur optimieren, wir müssen sie ändern.

Anmerkung: Die einzelnen Argumente dieser Theorien hier auszuführen, würde den Rahmen sprengen. Wer sich für das Thema interessiert, dem kann ich zum Beispiel die Texte des Volkswirtschaftlers Niko Paech ans Herz legen.

Das Kunstfleisch ist ein gutes Beispiel für diesen Konflikt. Dank einer technischen Neuerung bleibt es den Menschen erspart, auf einen lieb gewonnenen Luxus zu verzichten – und sich mit unbequemen Fragen auseinanderzusetzen. Dabei sind die langfristigen Folgen des Experiments nicht absehbar. Möglicherweise werden nur wieder neue Probleme/Krankheiten/Belastungen geschaffen. Die Wissenschaftler sollten ihre Energie in die wichtigen Fragestellungen stecken, statt sich damit zu beschäftigen, wie die Folgen der Massentierhaltung möglichst komfortabel beseitigt werden können. Schließlich existiert die Lösung bereits: die Abkehr vom Fleischkonsum wäre einfacher, gefahrloser und natürlicher als das Steak aus dem Labor. Ob sie umsetzbar ist, ist eine andere Frage. Aber keine des Geldes, sondern der Zeit.

 

Links und Quellen:

Welt Online

Deutschland is(s)t vegan

Achtung, Pflanzenfresser!

Meat the future (Video zum In-Vitro-Fleisch)

 

Foto oben: flickr (Mike Licht), Foto unten: flickr (Bernhard Vogler)

4 Kommentare zu „Fleisch aus dem Labor

  1. och, aroma kommt auch ausm labor, das stört mich überhaupt nicht. und ob fabrik oder labor, das ist doch alles nicht romantisch. ich kenne jedenfalls niemanden der sagt ihm schmeckt nur handgeschöpfte schokolade.

  2. Ich kann mich damit auch nicht anfreunden. Aber wie heißt es so schön „der Zweck heiligt die Mittel“ und wenn künstliches Fleisch die Tiere vor der Ausbeutung und Quälerei schützt, werde ich von mir aus auch Flyer dafür verteilen.

    Ekelig ist es trotzdem und unnatürlich… aber vielleicht ist es ja der Schritt zu einer weltweiten gewaltfreien Ernährung…

  3. ‚Tschuldigste ‚mal, dass I‘ so hier hereinplatz‘, aber du ziehst da einfach den falschen Schluss.
    Fleisch oder nicht Fleisch, ist eine reine Willensfrage, völlig auf Tierprodukte zu verzichten schon eher eine der Kosten aber auch der Möglichkeiten.
    Aber das Problem ist die Argumentation:
    Entweder jedes Lebewesen ist heilig, weil „Speziesmus“=Rassismus, dann darf ich aber eben auch nur Frutarier sein oder drauf geschissen! Denn wenn ich anfange wegen der evolutionären Stufe von Säugetieren, diesen Vorrechte vor Pflanzen oder Insekten zu kommen zu lassen, bin ich ein „Speziesten“-Nazischwein … oder so ähnlich.
    Also ein Paradoxon Deluxe.
    Ähnlich naiv wie Pazifismus…
    Just my Pfennig, anyways.

  4. komischerweise äussern sich nur veganer/vegetarier zu diesem thema, was mich wundert, denn sie haben sich ja eh schon dazu entschieden kein fleisch zu essen. ich esse fleisch, nicht sehr viel, aber ab und an sehr gerne. warum? weil ich so aufgewachsen bin, weil die menschheit sich so vor langer zeit einen überlebensvorteil geschaffen hat (der heute nicht mehr notwendig ist). aber dennoch isst die masse fleisch. es ist ungesund und grausam, und das muss sich ändern. gezüchtetes fleisch ist meiner meinung nach eine geniale lösung (vielleicht übergangslösung). der mensch hat sich mittlerweile so sehr davon entfernt, dass dieses steak auf seinem teller mal ein lebewesen war … warum sollte er sich daran stören nun gezüchtetes fleisch zu essen. fleisch wofür kein tier leiden musste? fleisch, dass, wenn die wissenschaft recht behält, vielleicht sogar gesünder und günstiger sein wird?
    meiner meinung, wäre das ein schritt in eine bessere welt. ausserdem, wenn man ein steak züchten kann, dann hoffentlich auch eine leber, ein herz und eine niere. damit könnten viele menschenleben gerettet werden. das ganze nennt man fortschritt und zukunft. die welt dreht sich weiter, es wird geforscht und optimiert, das ist die natur des menschens. wir werden immer versuchen etwas besser oder anders zu machen. der salat, den wir heute essen, wurde auch gekreuzt und gezüchtet bis er „besser“ war und so wird es weiter gehen, eben mit anderen methoden. was in zukunft wichtig wird: ethische entscheidungen zu treffen. man wird den fortschritt nicht aufhalten können, aber man muss ein bewusstsein entwickeln, was richtig und was falsch ist. definitiv falsch ist die idee tiere gentechnisch zu verändern, damit sie mehr fleisch produzieren und weniger probleme machen … z.b. keine schmerzen empfinden. das ist eine absolute horrorvision und ethisch inaktzeptabel.

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