Ja, ich bin anders!

Nein, ich kann euch beruhigen: Ich fühle mich nicht ausgegrenzt. Ich befinde mich zwar in einer Minderheit und nicht selten bin ich die einzige Veganerin im Raum. Aber allein fühle ich mich deshalb noch lange nicht. Und isoliert oder diskriminiert ebenso wenig. Keine Sorge. Offenbar muss ich diesen Umstand einmal klarstellen, denn am vergangenen Wochenende drehten sich gleich zwei Gespräche um dieses Thema. Ich habe fast den Eindruck, meine Mitmenschen machen sich darüber mehr Gedanken als ich.

Beim Kaffeeklatsch

Meine Familie versammelt sich gemütlich um die Kaffeetafel. Der Kaffeeduft liegt schon in der Luft, als meine Mutter einen Teller mit Plätzchen, Schokolade und Marmorkuchen auf den Tisch stellt – alles nicht vegan. Schon zwei Stunden vorher stand sie mit besorgtem Blick vor mir: „Regine, was möchtest du denn gleich beim Kaffee essen? Du sollst doch auch was haben.“ Immer besorgt, die lieben Mütter ;) Aber ich wollte keinen großen Aufstand machen, zumal mein Magen noch mit der Verarbeitung des Mittagessens beschäftigt war (übrigens: Vollkorn-Spaghetti mit spontan kreierter Gemüse-Sahne-Soße). Also antwortete ich: „Ich brauch nichts, Kaffee reicht mir.“

Später sitze ich also auf dem Sofa und schlürfe Kaffee mit Reismilch. Ich bin die Einzige, die nicht zu den Plätzchen greift. Schlimm? Finde ich nicht. Es ist in Ordnung. Ich muss mich nicht zügeln, niemand muss mir auf die Finger hauen. Und ich kann – man glaube es kaum – sogar problemlos ertragen, dass andere in meiner Gegenwart schlemmen.

Diskussion mit einem „Allesfresser“

„Ich könnte das ja nicht“, höre ich wenige Stunden später. Mit meiner Mitfahrgelegenheit diskutiere ich über gesunde Ernährung. Ihm seien die Folgen des Fleischkonsums ja bewusst, sagt er. Und er würde auch kein Billigfleisch aus dem Supermarkt mehr kaufen, sondern nur beim Metzger seines Vertrauens, der noch selbst Tiere aus der Region schlachtet. Vegetarisch? Ja, das wäre wohl noch in Ordnung – zumindest ein paar Tage die Woche. Aber vegan? Nein, das ist ihm zu hart.

Ich kann ihn verstehen, irgendwie. Für einen „Allesfresser“, wie er sich selbst nennt, ist die Vorstellung, sich vegan zu ernähren, wohl der pure Horror. Wie geht das? Was kaufe ich ein? Was kann ich dann überhaupt noch essen? Es sind die typischen Fragen. Und ja, man muss erst lernen, sich diese Fragen zu beantworten. Ich musste das auch. Es braucht seine Zeit, vegan zu werden. Und es braucht auch ein wenig Ehrgeiz. Man muss sich mit seiner Ernährung auseinandersetzen, auf Inhaltsstoffe achten, Zutatenlisten lesen und lernen „Nein, danke!“ zu sagen.

Eine Frage der Einstellung

Zum Beispiel beim 85. Geburtstag der eigenen Oma. Da kam mein Gesprächspartner nämlich gerade her. Ich brauche nicht viel Fantasie, um mir das Menü vorzustellen. Veganer hätten da wohl schlechte Karten gehabt. „Fühlst du dich denn nicht ausgegrenzt?“, fragt er mich. Klar, ich gehe nicht mit Kollegen in die Kantine. Oft bringe ich zu Freunden mein eigenes Tupperdöschen mit. Ich habe im Restaurant oft nur die Wahl zwischen Salat und Nudeln mit Tomatensoße. Aber hey, muss ich mich deswegen ausgeschlossen fühlen? Kann ich mich nicht trotzdem ganz normal verabreden? Kann ich nicht trotzdem mit meiner Familie Kaffee trinken? Natürlich spielt dabei die Toleranz meiner Mitmenschen eine Rolle. Aber wahrscheinlich ist es auch einfach eine Frage der persönlichen Einstellung. Entweder ich kann damit leben und dazu stehen, in solchen Moment anders zu sein. Oder ich kann es nicht.

Ein gutes Beispiel

Ich frage mich, ob meine Mitfahrgelegenheit es könnte. Er ist ein gutes Beispiel. Er kümmert sich um seine Ernährung, er kocht viel selbst und macht sich Gedanken über seine Gesundheit. Und er ist informiert. Er weiß um die Folgen der Massentierhaltung, er weiß um das Ressourcenproblem. Und er ist offen für Neues. Ich bin mir sicher, er würde weniger oder kaum noch Fleisch essen, wenn es genug Alternativen gäbe. Wenn er am Wochenende in ein tolles veganes Restaurant gehen könnte oder wenn es in seiner Stadt einen veganen Imbiss gäbe, würde er diese Möglichkeiten nutzen – und mit ihm viele andere auch. Damit würde sich auch das Problem der Ausgrenzung langsam aber sicher in Luft auflösen.

Der Trend geht weiter

Vor einigen Jahren war es für Veganer noch viel schwieriger, ihren Alltag zu meistern. Inzwischen gibt es vegane Produkte im Supermarkt, Sojamilch im Café um die Ecke und vegane Brötchen im Uni-Bistro. Und dieser Trend wird weiter gehen. Die Zahl der Interessierten wächst – und somit der Markt. Und je größer der Markt, umso größer das Angebot. So werden die Hürden, sich (zeitweise) vegan zu ernähren, immer kleiner. Und keiner muss sich mehr Sorgen um mich machen ;)

Und apropos Familienfeier: Bei mir steht in naher Zukunft eine Kinderkommunion an. Das Essen wird geliefert. Extra für mich wird auch ein veganes Gericht auf der Speisekarte stehen. So kann nicht nur ich ausnahmsweise mitschlemmen, sondern auch andere Gäste kommen in den veganen Genuss. Wer sagt’s denn? ;)

Ein Kommentar zu „Ja, ich bin anders!

  1. oh… das kenne ich: ich bin mit einer tasse kaffee schon vollauf bedient, ich brauche die ständige nascherei gar nicht. ich bin die typische tussi, d.h. auf die figur bedacht, allein deshalb schon lehne ich süßkram lieber ab.
    es ist echt lästig, wenn ein einfaches „nein, danke“ nicht akzeptiert wird, und man anfangen muss sich zu rechtfertigen, und die leute sich übermäßig besorgt zeigen. mein gott, man verhungert doch nicht gleich wenn man ständig am futtern ist.
    ich finds ja lieb wenn die leute sich kümmern, aber ich bin der typ der wenn er nein sagt, auch nein meint und sich schnell bevormundet fühlt.
    die leute haben glaub ich ein schlechtes gewissen wenn sie essen, und jmd anders nicht. sieht ja so verfressen aus…

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