Es war überhaupt nicht geplant. Vielleicht konnte ich mich auch deswegen nicht wehren, als ich durch die Regalreihen der Würzburger Filiale von denn’s Biomarkt streifte. Plötzlich war ich umzingelt von leckeren Aufstrichen, unzähligen Tofu-Sorten und veganen Süßigkeiten. Das Ergebnis: eine volle Einkaufstasche – und ein leichterer Geldbeutel. Man gönnt sich ja sonst nichts … oder?
Eigentlich ganz harmlos
Der Grund meines Abstechers war eigentlich ganz harmlos: Glutenmehl. Nach ein paar Empfehlungen habe ich mir nämlich vorgenommen, selbst einmal Seitan herzustellen. Mehr als Weizeneiweiß braucht man dafür nicht. Doch noch habe ich Respekt vor der Prozedur, das Gluten eigenhändig aus dem üblichen Weizenmehl herauszuwaschen. Deswegen wollte ich beim ersten Versuch lieber auf Nummer sicher gehen und das Gluten gleich fertig verpackt kaufen.
Juhu, Studententag!
Leider muss mein Seitan-Experiment noch ein wenig warten, denn meine Suche in den Weiten des Biomarktes war umsonst. Offenbar gibt es Glutenmehl doch nur im Reformhaus. Trotz dieser Erkenntnis verließ ich den Laden natürlich nicht sofort. Getreu dem Motto „Wenn ich schon mal hier bin …“ nutzte ich die Gelegenheit. Die Auswahl war riesig. Und so brauchte ich eine gefühlte Ewigkeit, bis ich an der Kasse angelangt war. Hier erlebte ich eine angenehme Überraschung: Es war Studententag – also bekam ich sechs Prozent auf alles. Spontaneinkäufe können auch ihre positiven Seiten haben …
Das Grübeln geht los
Leider konnte aber auch der unerwartete Rabatt nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Einkauf überdurchschnittlich teuer war. Und so kam ich ins Grübeln, als ich zu Hause die Einkäufe verstaute: Ist vegane/gesunde Ernährung doch nur teurer Luxus? Kann selbst ich als „veganer Moralapostel“ den Verlockungen des Konsum im Grunde nicht widerstehen? Und hatte ich mir gerade ein gutes Gewissen erkauft?
Ich glaube, ich stelle mir diese Fragen nur, weil ich damit rechne, dass mich jemand anders mit ihnen konfrontiert. Ich für meinen Teil kann mit diesem Einkauf nämlich ganz gut leben. Erstens weiß ich, dass solche „Exzesse“ äußerst selten sind. Und was ich einen Exzess nenne, ist für viele wahrscheinlich noch nicht einmal als solcher nachvollziehbar – schließlich schränkt schon allein der Veganismus meinen Einkauf ein. Zweitens halte ich die teuren Produkte, die ich mir da „gegönnt“ habe, nur bedingt für luxuriös. Zweifelsohne ist eine gesunde/faire/ökologische Ernährung mitunter teurer als das Pendant aus dem Discounter. Aber die Frage ist doch, welcher Preis gerechtfertigt wäre. Das System macht es möglich, dass wir nur einen Bruchteil unseres Geldes für unsere Nahrung ausgeben. In Deutschland sind die Lebensmitell im Vergleich unglaublich günstig.
Der wahre Preis
Im Grunde sind Lebensmittel mehr wert – vor allem wenn sie unter umweltschonenden und fairen Bedingungen hergestellt wurden. Wir müssen uns wieder bewusst werden, das die Dinge, die auf unseren Tellern landen, eben ihren Preis haben. Ich bin bereit, dafür mehr Geld auszugeben und auf andere Dinge zu verzichten. Ich sage nur Handy, Computer, Fernseher, Mp3-Player … Und ich bin sicher, dass es möglich wäre, allen Menschen einen Zugang zu vernünftig produzierten (etwas teureren) Lebensmitteln zu geben. Dazu müsste sich natürlich einerseits etwas an der Vermögens- und Einkommensverteilung ändern (dieser Ansatz sprengt hier allerdings den Rahmen). Andererseits gilt es, die Produktion wieder zu dezentralisieren. Das spart Kosten, sorgt für Transparenz (z.B. bei den Arbeitsbedingungen) und zu einer höheren Bindung zwischen Produzent/Produkt und Verbraucher.
Schlechtes Gewissen
Im Moment habe ich leider nur die Wahl zwischen den großen Discountern und dem teureren Biomarkt. Ich bin dankenswerter Weise in der Lage, mich für letzteren zu entscheiden – also tue ich das auch. Wobei ich sagen muss, dass mein Einkauf selten so teuer ist – es muss ja nicht immer der „Pilzbraten“ sein.
Was mich auf die täglichen Verlockungen des Konsums bringt. Wie man sieht, kann auch ich mich davon nicht frei sprechen. Wer kann das schon? Allerdings ist die Frage, wie man damit umgeht. Mir ist bewusst, dass ich vieles, was ich diese Woche gekauft habe, vielleicht nicht gebraucht hätte. Ich glaube, schon allein das ist nicht selbstverständlich. Das letzte Mal war ich vor einigen Monaten dort. Man kann mir also kaum vorwerfen, mein Gewissen regelmäßig mit solchen Einkäufen zu beruhigen, während ich ein teures Soja-Schnitzel nach dem anderen verdrücke.
Spielraum nutzen
Mein Gewissen ist im Übrigen trotz veganer Ernährung und bewussten Konsums nicht rein. Im Gegenteil. Denn ich lebe immer noch in einem System, in dem ich zwangsläufig anderen schade – egal, was ich tue (siehe auch „Ohne Mampf, kein Kampf„). Das ändert sich leider auch nicht, wenn ich in den Biomarkt gehe. Aber so (und durch fairtrade-Produkte und saisonalen/lokalen Einkauf) nutze ich zumindest den Spielraum den ich habe. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Als Vorwurf habe ich „Bio ist teuer“ noch nie gehört, eher als Argument gegen vegane Ernährung (bzw. gegen das schlechte Gewissen). Selbst in dieser Form ist die Aussage für mich aber absurd: es geht hier immerhin um etwas enorm Essenzielles, denn was ich esse wird schließlich ein Teil von mir (und zwar nicht in irgendeinem übertragenen Sinne, sondern ganz real)… deshalb ist Nahrung nichts womit ich knausern möchte.
Und es stimmt zwar, dass man im Bio-Markt regelmäßig für weniger Produkte deutlich mehr ausgibt als im Supermarkt, aber wenn ich zu Alnatura und Co. gehe dann kaufe ich dort meistens auch Dinge, die woanders auch teuer wären: Pflanzenöle, Nussmus, Hafermilch etc… das mit dem Einkauf von Reis und Nudeln bei Rewe zu vergleichen haut nicht so wirklich hin.
Toll auch, dass du auf den „wahren Preis“ der Lebensmittel hinweist – das ist eine dieser Wahrheiten, mit denen ich erst als Veganer in Kontakt gekommen bin. Einen grandiosen Post zu diesem Thema hat übrigens Leo Babauta geschrieben: http://mnmlist.com/the-true-cost-of-stuff/
PS: Danke für diesen wieder einmal sehr schönen Artikel!
In unserer Gesellschaft läuft irgendetwas ganz verkehrt.
Mir hat mal eine Oma im Bus gesagt (kein Witz): „Ach diese jungen Leute wissen einen guten Schweinebraten nicht mehr zu schätzen. Heute muss es ganz billig sein, aber schmecken tut es nicht, jedenfalls nicht wie früher.“
Ob nun der Schweinebraten oder die Butter oder das Gemüse. Das „billig ist besser“-Prinzip zerstört unsere Lebensmittelhersteller.
Ich zucke im Bioladen auch immer zusammen, aber genau wie bei Bekleidung, müssen wir unsere Konsumgüter neu zu schätzen lernen.
Hallo Sherry, ich Stimme dir vollkommen zu. Die in unserer Gesellschaft unreflektierten Sätze „billig ist besser“ oder auch „Geiz ist geil“ sind Symptome unserer Wachstums orientierten Wirtschaft, denn mittlerweile sind wir so dermaßen über sättigt, das der anreiz zum Konsum nicht mehr groß genug ist um unserer Wirtschaft die benötigten Wachstums Impulse zu geben. Meiner Meinung nach stellen die beiden obengenannten Sätze den verzweifelten Versuch dar ein von Grund auf nicht lebensfähiges System aufrecht zu erhalten, den beide Zielen darauf ab den Konsum zu verstärken. Und da stimme ich Regine vollkommen zu: man bezahlt heute für fast nichts den wahren Preis. Seien es Nahrungsmittel, Elektronik Artikel oder Strom. Bestes Beispiel ist der Klimawandel. Die kumulierten Kosten die die Konsumgesellschaft vergessen hat zu Zahlen.
Danke für eure ergänzenden Kommentare. Es freut mich, dass ich offenbar ein Thema getroffen habe, dass euch auch beschäftigt…
Man muss einfach irgendwo Kompromisse machen. Ich versuche möglichst oft in kleinen Bioläden oder direkt am Markt einzukaufen. Dort gibt es viele tolle Sachen, die nicht so billig wie im Supermarkt sind, aber auch nicht völlig überteuert.
Wenn ich im Reformhaus einkaufen, überlege ich mir bei den teueren Preisen auch immer sehr gut, ob ich mir das leisten möchte.
Der Supermarkt lässt leider aber nicht immer vermeiden. Aber auch dort kaufe ich keine „Billigartikel“ sondern Bio-Produkte.
Wenn man es sich nicht leisten kann/möchte im Bioladen einzukaufen, gibt es da zumindest einen kleinen Kompromiss.
Ich finde nicht mal, dass die Sojaschnitzel unbedingt sehr teuer sind. Die dinger kosten doch nur ca. 1,80€. Klar gibt es „normale“ Schnitzel, die vielleicht noch billiger sind. Aber die sind doch vollgepumpt mit Medikamenten, damit die Tiere auch bloß schnell genug zunehmen. Für nicht-verseuchte Schnitzel vom (Bio-)Metzger zahlt man sicherlich genau so viel oder mehr.
also man kauft bio-produkte ohne das zu reflektieren, sagst, dass es keine beruhigung des gewissens ist und lügt dabei. selbstverständlich ist das ne gewissensberuhigung.
„du bist was du isst“, klar! aber nur weil man kein fleisch isst und bioprodukte bevorzugt, heißt es doch cniht sofort, dass man irgendjemanden was gutes tut. nicht auf jeden fall!
dieser pilzbraten ist ja einfach nur ne glutamatbombe und macht auf dauer die birne matschig. hefeextrakt ist nichts anderes als maggi oder knorr! und bio ist ja nicht gleich bio. „streng ökologisch kontroliiert“. hallo?! in der eu und vor allem in deutscland wird alles streng kontrolliert und reguliert! ich habe mir neullich bioeier und bioäpfel gekauft. die eier waren unterm strich teurer, die äpfel nicht. dann informierte ich mich über bio-produkte (nicht nur neulich sondern öfter mal, auch früher schon) und stelle immer wieder fest, dass bio-produkte nicht einheitlich „streng“ reguliert werden. so muss man sich vor jedem bioeinkauf überhaupt angucken, welcher aspekt sich denn von „herkömmlichen“ produkten unterscheidet. die äpfel wurden nicht mit pestiziden behandelt, dafür mit zink besprüht. zink ist ein schwermetall, der nicht hundet prozentig abgewaschen wird und somit in den körper gelangt. ferner gelangt er auch in den boden und von dort aus vom geochemischen in den biogeochemischen kreislauf. er wird von lebewesen aufgenommen, die wir dann konsumieren (ja auch veganer konsumieren lebewesen). außerdem bedeudet der verzicht von pestiziden nicht, dass auch auf grüne biotechnik verzichtet worden ist. transgene pflanzen machen immer noch 95% der konsumierte pflanzen aus. sei es direkt oder indirekt! und eine monokultur zerstört die schöne biodiversität, was auch nicht ökologisch ist. aber nicht ökologisch und unreflektiert bedeutet, nicht den ökologischen (biologishen) richtilinien der momentanen evolutiven epoche. das was wir hier veranstalten ist selektion und somit evolution und das nicht nur irgendwelchen autounreflektierten fleischfresser, sondern auch alle veganer und vegetarier.
Ich habe auch nicht behauptet, dass man von jeglicher Informationspflicht befreit ist, nur weil man Bio-Produkte kauft. Natürlich nicht. Und natürlich ist nicht alles, wo „bio“ drauf steht, auch was „Gutes“ drin. Die Kontrollen sind nicht einheitlich. Jedes Siegel steht für irgendetwas anderes. Aber immerhin setzt man sich dann generell einmal mit dem Thema auseinander. Wie viele kaufen ein, ohne überhaupt einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden.
Ich verstehe auch nicht wirklich, worauf du hinaus willst. Was wäre denn dein Vorschlag?
ne lösung oder so! die gibt es nicht, nicht so lange die menschen exisitieren. so denke ich jedenfalls, da wir aber in höchstem maße egoistisch und bequem sind hilft nur noch ein kt-ereignis. und das kann man sich cniht aussuchen, also gibt es vorerst keine lösung. aber den konstruktivsten vorschlag bisher.
Na super. Die Einstellung bringt uns aber auch nicht weiter. Gar nichts zu tun und die Menschen und ihren Einfluss zu akzeptieren, als könne man nichts ändern, kanns doch auch nicht sein. Ich finde, dass ist die bequemste Einstellung von allen. Klar, ist die Frage, ob und wie viel man ändern kann. Aber ich denke, es gibt sehr wohl einen Unterschied zwischen einer gedankenlosen Menschheit und einer, die sich um ihre Umwelt und die Zukunft kümmert.