Herrje, ich war mir überhaupt nicht bewusst darüber, dass ich eine solche Verdrängungskünstlerin bin. Aber die Ostertage haben mich mal wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt: Denn so sehr man sich bemüht, im eigenen Leben bestimmte Prinzipien umzusetzen und die wichtigen Dinge nicht aus den Augen zu verlieren, so sehr verliert man dabei manchmal den Blick für das, was um einen herum passiert. Und da geht es mitunter immer noch weiter, als wäre die Welt völlig in Ordnung.
Typische Touristen-Programm
Diese Einleitung klingt womöglich ein wenig hochtrabend, wenn ich bedenke, worüber ich schreiben möchte. Es geht um mein Osterwochenende, das ich gemeinsam mit meinen Eltern in Würzburg verbracht habe. Sie waren für zwei Tage zu Gast und ich hatte die verantwortungsvolle Aufgabe, sie mit meiner neuen Heimat vertraut zu machen. Unser Programm unterschied sich wahrscheinlich kaum von dem der unzähligen Touristen, die sich mit uns in der Stadt tummelten. Aber an manchen Führungen und Besichtigungen kamen wir einfach nicht vorbei. Nach einem Besuch in der Residenz folgte die berühmte Nachtwächterführung. Tags darauf ging es hoch zur Festung und in den Hofkeller. Fast alles erledigten wir zu Fuß. Das bot sich an – schließlich sieht man dann gleich viel mehr von der Stadt. Außerdem hatte ich meine Eltern überredet, mit der Bahn zu kommen und damit nicht nur ihre Nerven, sondern auch die Umwelt ein wenig zu schonen.
Salat auf der Speisekarte
Das Programm hatte ich mir ein paar Tage vorher zurecht gelegt. Eine wichtige Frage dabei war natürlich die Verpflegung. Frühstück war kein Problem – das gab es im Hotel. Aber dann: Wo gehen wir hin? Wo kann auch ich etwas Leckeres essen und gleichzeitig dem Geschmack meiner Eltern gerecht werden? Nicht ganz einfach. Meine Wahl fiel auf drei verschiedene Restaurants. Auf allen stand zumindest Salat auf der Speisekarte – im Notfall war ich also versorgt. Die Tische waren reserviert, alles geregelt.
Der einfache Weg
Vielleicht hätte ich mir mehr Mühe geben können, mehr Alternativen suchen müssen. Aber ich hatte eben hauptsächlich die Zufriedenheit meiner Gäste im Blick und vergas darüber ein wenig, dass ich eigentlich nicht zwei Tage lang nur von Salat leben möchte. Ich hatte ehrlich gesagt weder Lust auf enttäuschte und skeptische Gesichter noch auf Diskussionen. Deswegen wählte ich wohl den einfacheren Weg – obwohl das normalerweise nicht meine Art ist.
Kein Gericht ohne Fleisch
Meine Eltern akzeptieren, dass ich vegan lebe. Sie haben mich sogar an Heiligabend vegan kochen lassen. Eigentlich wäre der Besuch in Würzburg die Gelegenheit gewesen, ihnen weitere Beispiele dafür zu zeigen, dass es nicht zwangsläufig eine Qual ist, auf jegliche tierische Produkte zu verzichten. Ein paar Möglichkeiten hätte ich in der Stadt schon gehabt. Im Nachhinein ärgert es mich, dass ich diese Chance nicht genutzt habe und stattdessen mit der Kellnerin in den Burggaststätten darüber diskutiert habe, ob ich auch nur Beilagen bestellen kann. Aber gut, ich habe es überlebt – und wieder was gelernt für’s nächste Mal.
Die böse Realität
Gleichzeitig war es mal wieder eine erschreckende Erfahrung in“normalen“ Restaurants essen zu gehen. Die Speisekarte hatte ich meist schnell durch. Immerhin: Die Salate waren geschmacklich echt top. Beschweren konnte ich mich nicht. Trotzdem merkte ich, wie klein meine vegane Welt eigentlich ist. Im Alltag habe ich inzwischen so gut wie keine Probleme mehr. Ich weiß, wo und was ich einkaufen kann, wann ich mir mein Abendessen vorkochen und mitnehmen muss und welche Süßigkeiten für mich in Frage kommen. Aber in diesen Restaurants hört meine Welt auf. Plötzlich lese ich die speziell für Ostern zusammengestellte Karte und finde nicht mal ein Gericht ohne Fleisch. Und zack, da ist sie, die böse Realität.
Optimismus nicht verlieren
So ernüchternd diese Erfahrung war – gleichzeitig motiviert sie mich auch. Ich weiß, dass es geht. Dass man sein Leben ändern kann, dass man Prinzipien beibehalten kann, dass es möglich ist, sich vom allgemeinen Konsumwahn loszulösen. Und auch, wenn die Zahl der Menschen, die sich dessen bewusst sind, vielleicht noch nicht so groß ist, wie sie sein müsste: Sie wird wachsen. Weil sie muss. Die Welt verträgt unseren jetzigen Lebensstil nicht – und der Fleischkonsum ist dabei nur ein Beispiel. Ich habe meinen persönlichen Weg gefunden – und auch gemeinsam werden wir einen anderen Weg finden müssen. Und genau das spornt mich an, den Optimismus nicht zu verlieren. Egal, wie viele Kellnerinnen mich in Zukunft noch nervig finden werden.
Ich verstehe dass dich das ärgert. Als meine Eltern zu Besuch kamen habe ich mir einfach alles gespart weil ich nicht wusste wie ich das handhaben soll, insofern mach dir nichts draus. Es gibt immer jemanden den es schlimmer, dümmer und derber erwischt hat. Echt kein Grund deswegen gleich aus der Haut zu fahren (obwohl es wirklich nervig ist). Aus solchen Problemen lernt man ja auch zwangsläufig für den nächsten Besuch :)
Da siehst du wie glücklich du dich schätzen kannst, nicht mehr bei deinen Eltern zu leben (und mit ihnen regelmäßig Restaurants besuchen zu müssen)….;]
Dass ich jetzt allein für meinen Kühlschrank und meinen Speiseplan verantwortlich bin, hat tatsächlich seine Vorteile. Aber auch wenn ich daheim zu Besuch bin, lässt sich alles regeln. Das Problem sind die Speisekarten in den Restaurants bzw. die Schwierigkeit, alle unter einen Hut zu bekommen, nicht meine Eltern ;)
Als meine Eltern vor Kurzem den engeren Kreis der Familie zu einem China-Restaurant geladen hatten, behauptete meine Mutter „vegetarisch“ wäre kein Problem. Sie hätte das bei der Tischbestellung abgesprochen. Als wir vor Ort waren, war nur EIN Gericht auf der Speisekarte vegetarisch. Total fleischlastiger Schuppen. Und mit Vegan konnte die Bedienung rein gar nichts anfangen. Aber das Gericht schien es letztendlich zu sein. – Meine Eltern finden das Restaurant super, haben sie sich doch jeher sehr fleischlastig ernährt… ich geh da bestimmt nicht nochmal rein. :(
Die Erfahrung musste ich gestern auch wieder einmal machen, das Ausmaß war erschreckend. Dabei ist mir auch wieder bewusst geworden, dass man vegan lebend manchmal von der Welt irgendwie abseits steht.