Kanada, Skandinavien, Indien, Namibia… es gibt schon einige Orte auf der Welt, die ich gerne besuchen würde. Es ist einfach eine tolle Vorstellung: Koffer packen, alles hinter sich lassen, fremde Menschen und Kulturen erleben, Erfahrungen sammeln, sich selbst weiter entwickeln. Seitdem ich 2009 für einige Wochen in Ghana war, packt mich regelmäßig das Fernweh – und gleichzeitig meistens auch das Bedürfnis, nicht nur zu reisen, sondern vor Ort ein irgendein sinnvolles Projekt zu unterstützen. Doch inzwischen tut sich dabei gleichzeitig auch ein nicht zu unterschätzendes Problem auf: die Anreise.
Eine Ausnahme
Noch vor wenigen Jahren habe ich über das Betreten eines Flugzeuges nicht großartig nachgedacht. Es war sowieso immer die Ausnahme. Als ich mit 18 Jahren das erste Mal in die Lüfte stieg und dabei ein wenig nervös wurde, lächelten meine Mitreisenden nur milde, weil sie schon die ein oder andere Fernreise hinter sich hatten. Seitdem bin ich insgesamt vier Mal geflogen: nach Madrid, London, Accra und München.
Nur im Hinterkopf
Wenn ich darüber nun nachdenke, packt mich das schlechte Gewissen. Viel zu spät habe ich mich darauf eingelassen, die ökologischen Folgen eines solchen Flugs zu bedenken. Natürlich, irgendwie war es mir im Hinterkopf schon klar. Aber hey, im Vergleich zu anderen Menschen, die mehrmals im Jahr ins Flugzeug steigen, war das doch harmlos, oder? Und schließlich lebte ich ja sonst relativ umweltbewusst, oder?
Inzwischen bin ich schlauer
Ich informierte mich nicht darüber, wie viele Treibhausgase ein solcher Flug tatsächlich verursacht oder in welchem Verhältnis er steht zu meinem sonstigen Lebensstil. Hätte ich es nur getan. Dann hätte ich mindestens zwei der Reisen anders organisiert oder zumindest versucht, die Folgen für die Umwelt zumindest irgendwie zu kompensieren. Dass beide Wege möglich sind, weiß ich inzwischen. Zum Glück.
Urlaub im Spätsommer
Grund dafür sind einige Wochen im Spätsommer, die bisher noch völlig unverplant sind und sich deshalb quasi aufdrängen für einen Abstecher in die Ferne. Also setzte ich mich unglaublich motiviert an den Schreibtisch und machte mir Gedanken, wie ich die freie Zeit sinnvoll nutzen könnte. Ich durchstöberte das Eurotopia-Verzeichnis nach Ökodörfern und Gemeinschaften, die ich besuchen könnte und durchforstete das Internet nach sozialen Projekten, die auf der Suche nach Freiwilligen sind.
Nicht authentisch
Dass das Flugzeug bei allen meinen Vorhaben nicht als Verkehrsmittel in Frage kommen würde, stand im Grunde von vorneherein fest. Zu oft musste ich mir in Diskussionen über meine vegane Ernährung schon anhören, dass ich ja inkonsequent wäre, weil ich es gewagt hatte, in meinem Leben überhaupt ein Flugzeug zu betreten. Und der Vorwurf ist berechtigt. Schließlich zeugt es nicht gerade von Authentizität, wenn ich anderen erkläre, dass die Produktion von Fleisch und Milchprodukten in erheblichem Maße zum Klimawandel beiträgt, während ich gleichzeitig ein Vielfaches an CO2 in die Luft puste.
Anspruch: Nachhaltigkeit
Ich habe diesen Zusammenhang nicht von Anfang an hergestellt, das gebe ich zu. Meine letzte Flugreise liegt nun drei Jahre zurück. Vegetariern bin ich seit etwas mehr als vier Jahren, Veganerin seit März 2011. Und seitdem hat sich einiges getan. Ausgangspunkt war zwar die Auswahl meiner Nahrungsmittel, aber inzwischen habe ich den Anspruch nachhaltig zu leben, auf viele Lebens- und Konsumbereiche ausgeweitet.
Nicht perfekt
Natürlich kann man mir weiterhin vorwerfen, dass ich nicht perfekt bin – das geschieht auch zu Genüge. Wenn Fleischesser sich angegriffen fühlen, ist es offenbar eine beliebte Verteidigungsstrategie, den Veganer auf seine zahlreichen Fehler hinzuweisen. Aber, liebe Leute, erstens mir ist schon klar, dass mein Leben immer noch negative Konsequenzen hat –schon allein dadurch, dass ich in Deutschland lebe. Ich bin zwar vegan, aber nicht naiv. Zweitens bin ich der Meinung, dass einzelne Verbesserungen meines Lebensstils nicht dadurch abgewertet werden, dass ich nicht alle Probleme auf einen Schlag angehe und löse. Das ist nämlich so gut wie unmöglich. Man durchläuft eben eine persönliche Entwicklung, hinterfragt mit der Zeit immer mehr Gewohnheiten, wird aufmerksamer für mögliche Verbesserungen und ist bereit, sich damit auseinanderzusetzen. Entscheidend ist der erste Schritt und der Wille, etwas zu verändern.
Zahlen und Fakten
Als ich nach Ghana flog, war ich mir über die Klimaschädlichkeit dieser Reise durchaus im Klaren. Allerdings blieben die Folgen abstrakt; es fiel mir leicht, sie zu verdrängen. Heute schweben mir hingegen Zahlen vor. Hin- und Rückflug produzierten ungefähr 3000 kg Kohlendioxid (1). Klimaverträglich sind pro Jahr und Mensch gerade einmal 2300 kg. Bezogen auf Fleisch entspricht die Reise rund 1000 kg Schweinefleisch oder 230 kg Rindfleisch. Im Schnitt ist ein Deutscher pro Jahr 60 kg Fleisch (2). Wahlweise könnte ich auch 130 kg Butter, 350 kg Käse oder 400 kg Sahne verzehren (3). Diese Relationen machen deutlich, was ein Flug anrichtet…
Die zweitbeste Lösung
Meine Reise wird demzufolge erst einmal nicht die europäischen Grenzen überschreiten. Hier lassen sich die meisten Entfernungen per Bahn oder Bus überwinden. Auf Webseiten wie www.vertraeglich-reisen.de kann man sich über spezielle Angebote informieren. Eine andere Möglichkeit (wenn sich der Flug nicht vermeiden lässt) ist die Kompensation durch eine Investition in Klimaprojekte. Die Klimaschutzorganisation atmosfair hat sich darauf spezialisiert. Natürlich lösen solche Ausgleichszahlungen das Klimaproblem nicht, weil sie nichts an den eigentlichen CO2-Quellen ändert – das gibt atmosfair selbst zu: „Sie ist aber solange als zweitbeste Lösung notwendig, solange die beste Lösung noch nicht existiert.“
Quellen:
(1) https://www.atmosfair.de/emissionsrechner/rechner/
(2) http://fleischfrage.wwf.de/worum-gehts/
(3) Arbeitspapier „Treibhausgasemissionen durch Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln“ vom Öko-Institut e.V. in Darmstadt
Zumal CO2 weit oben noch mehr Schaden anrichtet als in Bodennähe. Die allermeisten Flüge sind einfach nur überflüssig, besonders Geschäftsreisen (wozu gibt es Videokonferenzen?) und Gütertransporte (geht auch mit Schiff/Bahn).
Für den Urlaub gibt es auch in Europa schöne Gegenden, die mit der Bahn oder Mitfahrzentrale gut zu erreichen sind. Aber es wird wohl nur wieder über Steuern gehen. Auch wenn dann nur noch wenige Reiche fliegen können – langfristig ist die Billig-Fliegerei wesentlich unsozialer.
“Sie ist aber solange als zweitbeste Lösung notwendig, solange die beste Lösung noch nicht existiert.” Doch, die Lösung ist ganz einfach.
Ja, mit den Preisen sprichst du noch einen wichtigen Aspekt an – das hatte ich beim Schreiben auch im Kopf, aber ich wollte nicht noch ein neues Fass aufmachen. Dass wir im Grunde gar nicht den wirklichen Preis eines solchen Flugs bezahlen (können), steht ja außer Frage.
Und du hast Recht, die beste Lösung existiert schon lange. Aber ich bezweifle (wie so oft), dass die realistisch ist… Fliegen ist bereits so integriert in unser Leben, dass es schwierig wird, es komplett zu streichen. Das müsste mit einem Sinneswandel einhergehen… Stichwort Genügsamkeit und so – und da wären wir auch schon wieder bei Nico Paech ;)
Im Vergleich zu einem Flug scheinen sich die Folgen der Fleischproduktion vielleicht zu relativieren. Das ändert aber nichts daran, dass sie ebenfalls einen großen Beitrag zum Klimawandel leistet – und darüber hinaus andere (soziale und ökologische) Missstände befördert.