Konsumkritik: Zwischen Anspruch und Wirkung

Es gibt wahrscheinlich kaum ein Thema, das mich in den letzten Jahren so viel beschäftigt hat. Ob es nun der Einstieg in den Veganismus, der Kauf von Fairtrade-Kaffee, die Klamotten aus dem Umsonstladen, das Solawi-Gemüse, das Containern oder die Vermeidung von Palmöl in meinem Shampoo war – immer wieder ging es um das Thema Konsum. Was und wie konsumiere ich? Welche Folgen hat das? Und welche Alternativen gibt es?

Die Beschäftigung mit diesen Fragen hatte für mich immer etwas Zwiespältiges: Einerseits fühlt es sich gut an, mir über meinen Gestaltungsspielraum bewusst zu werden und ihn zu nutzen. Es ist unglaublich bereichernd, mich damit auseinanderzusetzen, was ich esse, anziehe und täglich konsumiere. Ich habe das Gefühl, Stück für Stück die Welt ein bisschen besser zu machen, wenn ich fundierte Konsum-Entscheidungen treffe, die ich mit mir selbst vereinbaren und auch nach außen vertreten kann. Abgesehen davon wird mein Blick auf Dinge gelenkt, die früher vielleicht zu kurz kamen: Wie kann ich meine Bedürfnisse befriedigen, ohne viel Geld auszugeben und verdienen zu müssen? Was ist mir wirklich wichtig?

Grenzen des bewussten Konsums

Andererseits hat das Ganze auch seine Schattenseiten. Ich habe zwar immer eine Wahl, aber oft kann ich mich nur für das kleinere Übel entscheiden. So sind fair gehandelte Produkte natürlich eine Alternative zu denen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden. Nichts desto trotz bleibt das System „Fair Trade“ eine Mogelpackung, weil es dem globalen Wirtschaftssystem nichts anhaben wird und stattdessen meinen Veränderungswillen absorbiert. Einige Produzenten profitieren so zwar von gerechtem Lohn und akzeptablen Arbeitsbedingungen, doch im Großen und Ganzen ändert sich nichts.

Hinzu kommt die ewige Frage der Wirksamkeit des eigenen Handelns. Was bringt es, wenn ich auf Fleisch verzichte, während die Mehrheit weiter Würstchen und Schnitzel in sich reinschiebt? Was ändert es, wenn ich meine Klamotten aus dem Umsonstladen beziehe und gleichzeitig jeden Tag Tausende von Primark-Tüten durch die deutschen Innenstädte getragen werden? Selbst wenn ich dem System einen Teil meines Geldes vorenthalte, wird es nicht gleich kollabieren – auch wenn es mir und meinem Gewissen dabei deutlich besser geht.

Zeitraubende Recherchen

Natürlich kostet es auch eine gewisse Zeit, sich über Produkte, Vertriebswege und Alternativen zu informieren. Ich erinnere mich nur daran, wie lange ich gebraucht habe, um eine Zahnpasta zu finden, die vegan ist und kein Palmöl beinhaltet. Solche Recherchen können wirklich Nerven kosten, zumal viele Informationen für den Konsumenten nur schwer zu bekommen sind. Schließlich sollen die ökologischen und sozialen Folgen der Produkte uns nicht die Freude am Konsum versauen. Die Wirtschaft braucht unser Geld, nicht unsere kritischen Fragen.

Schon lange versuche ich also, meinen persönlichen Ansprüchen gerecht zu werden, indem ich möglichst wenig und möglichst verträglich konsumiere. Unabhängig von der Wirksamkeit meines Verhaltens hat das vor allem etwas mit meinem Selbstbild zu tun. Ich kann und möchte keine Verantwortung übernehmen für das, was mein Konsum anrichten könnte. Selbst wenn es niemanden interessiert, was ich tue, bin ich so zumindest halbwegs mit mir im Reinen. Und wenn an der Macht der Konsumenten doch etwas dran sein sollte, umso besser.

Angebot und Nachfrage

Darauf möchte ich mich aber nicht verlassen – und noch weniger möchte ich darauf warten, bis sie sich in relevanten Veränderungen niederschlägt. Allein über die Nachfrage wird sich das System nicht zum Guten wandeln, denn schon allein das gängige Konzept von Angebot und Nachfrage unterliegt einem Verständnis von Wirtschaft, das ich für schädlich und fehlerhaft halte. Es muss also noch einen anderen Weg geben…

Für mich liegt der Schlüssel im Aufbau von Strukturen, denen ein anderes Verständnis von Wirtschaft zugrunde liegt als dem Kapitalismus. Konzepte wie Solidarökonomie, Peer Production oder Subsistenzproduktion weisen in diese Richtung und werden in vielen Projekten bereits in die Tat umgesetzt. Sie beweisen nicht nur, dass Wirtschaftswachstum, Konkurrenz und Profitstreben nicht alternativlos sind, sie befähigen die beteiligten Menschen auch, autonomer und selbstbestimmter zu leben.

Konsum in Kommune

Auch mein Einzug in eine politische Kommune steht in Zusammenhang mit dieser Überzeugung, dass es nicht reicht, Forderungen zu stellen und Kritik am Bestehenden zu äußern. Ich möchte schon heute tun, was ich für sinnvoll halte, auch wenn die Rahmenbedingungen noch einiges zu wünschen übrig lassen. Und gleichzeitig möchte ich dazu beitragen, dass diese Strukturen bekannt werden, stärker genutzt und vor allem ausgebaut werden.

Es ist eine neue Erfahrung für mich, das Thema Konsum auch auf persönlicher Ebene nicht mehr allein zu beackern. Auch wenn die politische Schnittmenge in der Kommune vergleichsweise groß ist, treffen natürlich verschiedene Sichtweisen und Anliegen aufeinander, die auch zu Konflikten führen können. Trotzdem steckt in der gemeinsamen Bearbeitung Positionierung ein großes Potenzial.

Gemeinsam stärker

In der gemeinsamen Ökonomie entscheiden wir über die Verwendung von Geldbeträgen, die mein früheres Einkommen weit übersteigen. Wir wohnen gemeinsam, nutzen also viele Dinge gemeinsam. Wir beziehen größere Mengen an Lebensmitteln. In der Gruppe fließt unheimlich viel Wissen zusammen, das wir nutzen können: Vom Reparieren und Recyclen über Einmachen und Konservieren bis hin zum Haare schneiden. Gemeinsam lassen sich Projekte und Ideen oft viel leichter umsetzen. Und nicht zu vergessen: Wir nutzen verschiedene Wege, um auch nach außen zu wirken – sowohl als Gruppe, als auch als Individuen.

Offene Atmosphäre

Wie all das konkret aussehen soll, müssen wir miteinander aushandeln. Dafür haben wir uns zuletzt ein ganzes Wochenende Zeit genommen – im Rahmen einer „Intensivzeit“, die drei Kommunard*innen inhaltlich und methodisch vorbereitet haben. Neben der Gruppenerfahrung, die ich als neue Mitbewohnerin unglaublich spannend fand, war ich vor allem dankbar für die offene Atmosphäre: Endlich war da mal ein Raum, in dem Konsumkritik kein Tabu ist, das vor lauter zwischenmenschlichen Fettnäpfchen nur so strotzt. Darin konnte ich mich selbst noch einmal neu reflektieren und direkt Ideen entwickeln, die ich in Zukunft (individuell und mit den anderen) angehen möchte. Gleichzeitig habe ich gemerkt, wie schwer es sein kann, meine eigene Position zu vertreten, ohne mich entweder für die Gruppe zu verbiegen oder aber zu verbissen und kompromisslos zu sein.

Mein und unser Konsum wird mich also auch weiterhin beschäftigen. Kein Wunder, denn auch das hat das Thema so an sich: Wer einmal anfängt, sich mit ihm zu beschäftigen, findet so schnell kein Ende.

6 Kommentare zu „Konsumkritik: Zwischen Anspruch und Wirkung

  1. Bewusster Konsum ist für mich die einzige Form des würdevollen, gewaltfreien Widerstands.
    Für mich gilt die Maxime, mit meinem Handeln ein Leben zu füllen, welches selbstbestimmt und sozial, sprich nicht das Elend anderer nutzend, seine menschliche Daseinsform in die Zeit legt.
    Da ich auf dem Land lebe, letztlich zurückgekehrt genau an den Ort, wo ich geboren wurde, habe ich relativ viele Möglichkeiten, mich dem System zu verweigern.

    Nahrung gewinne ich zum größten Teil durch den eigenen Garten und meine weiten Wanderungen, wo selbst jetzt im Winter einiges an Essbarem zu sammeln ist.
    Wärme gewinne ich ausschließlich durch das Sammeln von Holz, bei jedem Spaziergang trage ich einen Rucksack und Bruchholz, sowie Zapfen und Zunderpilze darf man straffrei sammeln (zumindest in unserer Region).
    Kleidung benötige ich keine neue mehr, seit dem Tod meines Vaters ist der Kleiderschrank übervoll – fünf Hosen im Wechsel halten leicht 20 Jahre – schon die letzten 10 Jahre brauche ich keine neuen Klamotten – nähen und stricken kann ich – warme Socken sind mir sicher!

    Mir meiner Kollaboration – die Hütte ist ein kleines Haus mit 50 qm und ich besitze z.B. ein Lap-Top – allerdings zahle ich kein Netz -(ein netter Nachbar läßt mich in seines – dafür bekommt er von mir frisches Gemüse – auch Werkzeug tauschen wir aus – wobei ich vieles von meinem Großvater habe, das richtig behandelt immer noch gut funktioniert – teils mehr als 50 Jahre alt.

    Ich kann behaupten, bis auf das I-Net bin ich meiner Maxime treu.
    Das I-Net ist meine Schwäche, da ich kaum Kontakt zu anderen Menschen habe und doch sehr an den Entwicklungen unserer Art interessiert bin – in der Bücherei gibt es kaum noch gute Bücher die ich nicht längst gelesen habe – die Neuanschaffungen sind großteils eher peinlicher Gedankenmüll (… in meinen Augen).

    Ich bin intolerant was Konsum angeht, den in unserer Gesellschaft definiert sich die Wirtschaft letztlich völlig über den Konsum, ja die ganze Umverteilungs-. und Vernichtungsmaschinerie wird letztlich vom Konsum gespeist – würden die Menschen sich diesem Treiben verweigern, hätten sie die Chance frei zu werden – so sind sie mehr den je Sklaven einiger weniger mächtiger Artgenossen, die sie nach Gusto leiden oder leidlich leben lassen.

    Wäre die letzte Konsequenz nicht immer der Krieg, vor allem wäre nicht die Vernichtung unserer Natur und so vieler anderer Lebewesen und grandios schöner Elementeformationen, eine immer offensichtlicher, als zwangsläufig hingenommene Tatsache, ich würde liebend gerne das Spiel mitspielen und die Welt bereisen, die Ganzen spannenden Möglichkeiten der Technik und des sich Entfaltens auskosten – doch der Preis ist eben zu hoch.

    So lerne ich jeden Tag aufs Neue die kleinen Schätze die mir meine Umgebung bietet zu würdigen, mich darüber zu freuen und dort meine Zufriedenheit und mein kulturelles, geistiges Auskommen zu finden – die Tipperei hier wird eines Tages enden, bevor ich physisch in eine andere Form übergehe, den erst wenn ich schweige, bin ich – da im Grunde jeder formulierte Gedanke anmaßend ist, da jeder Mensch selbst die Entscheidung treffen darf, wie er zu leben gedenkt.

    Da ich intolerant bin, habe ich kein Verständnis für angebliche Zwänge!
    Sekündlich holt sich der Tod Menschen – die noch Jahrzehnte zu leben imstande wären – durch Hunger, Gewalt und andere Grausamkeiten der ökonomischen Systematik unserer Art.

    Warum also sollte selbst der Ärmste, um zu überleben, einem System dienen, dass ständig mordet und wütend über den Globus herrscht?
    Nein, in meinen Augen müsste er sich verweigern, uns die letzte Energie dazu verwenden – auch wenn es sein Leben kostet.

    In unserem Land können wir so grausam offensichtlich erkennen, was Opportunismus anrichtet – die wenigen Aufrechten, die das letzte Deutsche Reich nicht überlebten, da sie laut nein schrien, blieben meist namenlos – einige hebt man auf das Schild und sonnt sich selbst mit ihnen darauf – wir sind ein würdeloses, bequemes Volk, ein Volk, das leider kein Alleinstellungsmerkmal bezüglich seiner degoutanten Qualitäten für sich beanspruchen kann.

    Nein, die schwache Willenskraft des Individuums, sie ist leider ein globales Merkmal unserer Art, den die Menschen erkennen zwar, doch sie lassen sich schlicht gehen!

    Erst in der größten Not, besinnt man sich – kurz – auf die Eigenschaft, ein soziales Wesen sein zu können.
    Im Augenblick da das eigene Überleben jedoch gesichert scheint, wird man zum pseudovernünftigen Wesen – man gibt sich den Möglichkeiten hin, ja man kämpft darum, ein möglichst großes Stück der Beute für sich zu gewinnen – wie erbärmlich das ist, kann man schon daran sehen, dass jetzt wieder Menschen aus Angst um ihren Wohlstand auf die Straßen rennen – und wieder heulen die Verzweifelten nicht ob ihrer Dummheit, sondern ob der Tatsache, dass sie glauben zu wenig vom Kuchen zu erhalten.

    Wie immer rennen sie noch schlimmeren Übeln hinterher, als ohnehin schon herrschen.

    Es schmerzt zu sehen, dass letztlich immer der noch schlechtere Weg eingeschlagen wird!

    Es schmerzt zu erleben, dass der Zynismus immanent und der Opportunismus das allgegenwertige Prinzip unserer Lebensart ist.

    Es schmerzt zu fühlen, dass man keine Liebe am Leben halten kann, da eine Mutter an keinen Ausweg, als das Mitspiel, glaubt.

    Es schmerzt, das die soziale Interaktion sich letztlich auf die Flora und Faune – ohne die eigene Art – beschränkt – da man alleine lebt auf diesem Planeten, alleine unter lauter Artgenossen die anders empfinden und anders denken, die einen als verrückten Spinner titulieren und selbst nicht erkennen, wie irrsinnig sie doch daherkommen, in ihren tonnenschweren Belchbüchsen, in denen nicht selten ihre Kinder als blutige Fleischmasse enden.

    Sie stehen dann an den Gräbern und trauern – doch sie ändern NICHTS!

  2. Selbstverständlich veränderst du die Welt mit deinem eigenen Verhalten.
    Du bist ein Sandkorn von 7 Milliarden Sandkörnern in der Wüste – und in dem Moment wo du dich entscheidest dich nicht mehr vom Winde verwehen zu lassen sondern an deinem Platz stehst bleiben andere Sandkörner an dir hängen. Und an denen bleiben dann auch wieder andere hängen und so formt sich irgendwann eine Duene.

    Tiefgreifende Systemveränderungen brauchen Zeit – mehr Zeit als einem Menschen zur Verfügung steht.
    Wenn man es pessimistisch betrachten will könnte man sagen das „unser System“ sich die letzten 6000 Jahre nicht geändert hat.
    Wenn man es positiv sehen will stellt man fest das sich in kleinem Rahmen lokal durchaus immer wieder etwas zum Besseren verändert hat und verändern wird – und das liegt meist an wenigen einzelnen Menschen die durch ihr Verhalten etwas bewegt haben.

    Vielleicht hilft es dir wenn du deine persönlichen Wünsche und Ziele etwas minimierst.
    Du musst und kannst die Welt nicht retten – aber du kannst deinen Weg gehen und ihn weiter entwickeln. Und vielleicht wird der eine oder andere Mensch deinen Spuren folgen.
    Und vielleicht findest du sogar Menschen die dich begleiten – oder die du begleiten kannst.

  3. Ich habe gerade mit Interesse diesen Artikel gelesen und möchte zum Thema ein Buch empfehlen: „Katastrophen-Alarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ Es macht deutlich, dass es einen Paradigmenwechsel braucht, um die globale Umweltkatastrophe abzuwenden. Dieser Paradigmenwechsel beinhaltet auch die Änderung der Lebensweise. In diesem Zusammenhang finde ich die obige kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten und der Grenzen innerhalb des Kapitalismus interessant. „Katastrophen-Alarm!“ zeigt überzeugend auf, dass die Umweltbewegung einen gesellschaftsverändernden Charakter bekommen muss und dass erst mit der revolutionären Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse ein gesamtgesellschaftlicher Paradigmenwechsel möglich ist. Dabei „desillusioniert“ das Buch angesichts der dramatischen Entwicklung der Umweltzerstörung und macht Mut für eine Gesellschaft zu kämpfen, die als Leitlinie die stetige Höherentwicklung der Einheit von Mensch und Natur hat.

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