Politisch aktiv sein und bleiben

Soziale Veränderung ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, schreibt Timo Luthmann und nennt damit eines seiner wichtigsten Argumente für einen Nachhaltigen Aktivismus. Dieser sei notwendig, damit soziale Bewegungen auf lange Sicht erfolgreich sind und einzelne Aktivist*innen in ihrem Engagement nicht ausbrennen. In seinem Handbuch trägt Luthmann verschiedene Ebenen und Ansätze für einen Nachhaltigen Aktivismus zusammen und liefert damit ein „Baukastensystem“, an dem sich Aktivist*innen je nach ihren Bedürfnissen bedienen können.

Sich über die eigenen Bedürfnisse klar zu werden, ist eine wichtige Voraussetzung, um dieses Buch zu lesen. Wer es einfach durchliest, so meine Erfahrung, fühlt sich schnell erschlagen von den vielen Theorien, Vorschlägen und Unterkapiteln. Dabei bietet das Buch viele interessante Möglichkeiten, sich tiefgehender mit einzelnen Themen zu beschäftigen. Luthmann verweist immer auf weiterführende Literatur, gibt Tipps für praktische Übungen und Anregungen für Gruppen, die sich mit dem „Wie“ ihres Aktivismus auseinandersetzen wollen.

Die ersten beiden Kapiteln dienen der Einführung. Der Autor erklärt, was Nachhaltiger Aktivismus eigentlich ist und warum es ihn braucht. Eine wichtige Rolle spielt das Phänomen „Burnout“, also das Ausbrennen oder die chronische Erschöpfung von Aktivist*innen – ein Zustand, mit dem der Autor selbst Erfahrungen gemacht hat. Inzwischen sagt er: „Als Aktivist*in glücklich zu sein, ist eine wichtige Grundvoraussetzung für ein langfristiges Engagement.“

Individuelle Strategien der Selbstfürsorge dürfen für einen Nachhaltigen Aktivismus auf keinen Fall fehlen. Luthmann geht u.a. auf Achtsamkeit, Zeitmanagement und die Reflexion der eigenen Motivationen, Bedürfnisse, Kraftquellen und Stressoren ein. Neben der individuellen Ebene geht es auch um Theorie und Analyse: Was bedeutet strategisches Handeln? Wo starten wir? Welche Veränderungen wollen und können wir erreichen – bei uns selbst sowie auf gesellschaftlicher Ebene? Die dritte Säule sind schließlich kollektive Strategien, um in Gruppen und Bewegungen mehr Resilienz (Widerstandsfähigkeit) zu entwickeln. Dazu können z.B. Antirepressionsarbeit, Mediationsangebote oder solidarökonomische Strukturen gehören.

Meiner Meinung nach brauchen die Leser*innen ein gewisses Problembewusstsein oder Interesse an Selbstreflexion, um einen Zugang zum Buch zu finden, sich die jeweils relevanten Kapiteln herauszupicken und gezielt mit ihnen weiterzuarbeiten. Die Methoden und Ansätze bleiben bei dieser Fülle häufig an der Oberfläche. Wer bereit ist, die beschriebenen Übungen auszuprobieren und/oder sich mit anderen auszutauschen, wird in dem Handbuch aber hilfreiche Anregungen finden. Ein wenig getrübt wird das Lesevergnügen durch Rechtschreib- und Satzbaufehlern, die sich leider ein wenig häufen.

Weitere Infos und Termine unter: www.nachhaltigeraktivismus.org

Timo Luthmann: Politisch aktiv sein und bleiben – Handbuch Nachhaltiger Aktivismus. Unrast-Verlag, Münster 2018. 424 Seiten, 19,80 Euro

 

Dieser Artikel erschien zuerst in: CONTRASTE – Monatszeitung für Selbstorganisation (Juni 2018).

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