Teilen ist Klimaschutz

Dank der Aktivist*innen von Fridays for Future ist das Klima-Thema inzwischen in aller Munde. Völlig zurecht sprechen sie nicht mehr vom Klimawandel, sondern von der Klimakatastrophe. Die Zahl der Unterstützer*innen und auch der Druck auf die Politik wird stetig größer. Im letzten Monat fanden weltweite Aktionen statt, u.a. ein Klimastreik am 20. September. Ich habe großen Respekt vor den Mobilisierungserfolgen, die diese Bewegung Woche um Woche feiert. Es ist unglaublich viel wert, dass sie ihren Ärger und ihre Zukunftsängste auf die Straße bringen – und damit sicherlich eine Menge erreichen.

Trotzdem bekomme ich immer wieder Zweifel, ob Demonstrationen das einzig richtige Mittel zum Zweck sind. Ich habe keine Ahnung, auf wie vielen solcher Aktionen ich in den letzten Jahren schon war – und ich sehe wenig, das sich seitdem (geschweige denn dadurch) geändert hat. Womöglich bin ich zu ungeduldig. Gesellschaftlicher Wandel braucht schließlich seine Zeit. Das lehrt uns u.a. die Geschichte von erfolgreichen Widerstandsbewegungen, in denen regelmäßige Massendemonstrationen eine wichtige Rolle gespielt haben.

Ich bin überzeugt, dass wir zweigleisig fahren müssen, um der Klimakatastrophe zu begegnen. Es wird nicht reichen, jede Woche auf die Straße zu gehen und darauf zu drängen, dass die Politik sich nicht mehr an wirtschaftlichen (und nationalen) Interessen orientiert. An sich ist es ja schon paradox, dass Menschen, die Verantwortung für das „Wohl des Volkes“ übernehmen, überhaupt daran erinnert werden müssen, die Lebensgrundlagen der Weltbevölkerung zu schützen. Wir können uns darauf nicht verlassen und wir können nicht warten, bis sich die Entscheidungsträger endlich dazu durchringen, ihre Prioritäten endlich anders zu setzen.

Wir müssen handeln – und zwar jede*r von uns! Wahrscheinlich haben Sie solche Sätze schon häufiger gelesen, oder? Gerne zitiert wird an dieser Stelle auch Mahatma Ghandi: „Sei die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ Und, wie sieht’s aus? Sind Sie diese Veränderung? Wollen Sie das überhaupt?

Vor kurzem durfte ich einen Workshop geben zum Thema „Klimaschutz in den Alltag holen“. Die Teilnehmenden waren sehr interessiert, wie wir Klimaschutz in unserer politischen Kommune umsetzen – und es war schön, eine Menge berichten zu können aus den Bereichen Ernährung, Mobilität, Energie, Bauen, Sanieren und politisches Engagement. 18 Menschen teilen sich bei uns u.a. zwei Autos und zwei Waschmaschinen. Bei uns wird in der Regel vegan gekocht, das Gemüse kommt aus der Region. Wir betreiben eine Photovoltaik-Anlage und ein Blockheizkraftwerk. Wer in den Urlaub fahren will, nutzt in der Regel die Bahn oder eine Mitfahrgelegenheit.

Es ging nicht darum, den Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen oder zu sagen: „So geht’s – und nicht anders. Nehmt euch mal ein Beispiel!“ Nein, wir sind uns durchaus bewusst, dass auch wir noch blinde Flecken haben und wahrscheinlich die ein oder andere Klima-Sünde begehen, weil wir das Gefühl haben, schon so viel zu tun. Trotzdem können die Beispiele aus der Kommune vielleicht inspirieren. Eine Teilnehmerin kam zum Beispiel auf die Idee, das Netzwerk in ihrer Nachbarschaft wieder zu aktivieren, um Dinge gemeinsam anzuschaffen und zu nutzen: „Braucht denn wirklich jeder Haushalt eine eigene Bohrmaschine, die die meiste Zeit des Jahres ungenutzt im Schrank steht?“

Auf der anderen Seite war für einen anderen Teilnehmer klar, dass bei ihm schnell die Grenzen des Klimaschutzes erreicht seien. Seine fünfköpfige Familie habe vier Autos und das ginge auch nicht anders – schließlich fahren sie alle jeden Morgen in unterschiedliche Richtungen. Und wenn die eigenen Kinder im Ausland leben, dann will man sie doch auch besuchen – natürlich mit dem Flugzeug. Manchmal fällt es mir schwer, solche Argumente stehen zu lassen, denn meiner Meinung nach haben wir nicht das Recht, so zu leben. Uns wurde zu lange erzählt, dass wir alles machen können, was wir uns leisten können und „uns verdient haben“. In Wahrheit prellen wir die Zeche – und zwar schon eine ganze Weile.

Die gemeinsame Ökonomie unserer Kommune bedeutet auch, gemeinsame Entscheidungen zu treffen über Konsum, Verbrauch und Produktion. Reparieren statt neu kaufen. Fahrrad statt Auto. Gemüse statt Fleisch. Und Gebrauchsgüter nicht in x-facher Ausführung anschaffen, sondern gemeinsam nutzen. Das ist nicht alles, aber ein Anfang. Wo fangen Sie an?

Diese Kolumne erschien zuerst in der Ausgabe 10/19 von OXI – Wirtschaft anders denken. Link: oxiblog.de

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