Land und Höfe als Commons

Ende Oktober 2020 haben zehn Menschen aus dem Netzwerk Solidarische Landwirtschaft und dem Mietshäuser Syndikat den neuen Verein »Ackersyndikat« gegründet. Ihr Ziel ist es, einen dezentralen und solidarischen Verbund aufzubauen, der Höfe und landwirtschaftliche Flächen als unverkäufliches kollektives Eigentum sichert.

Guter Boden ist teuer. Und das ist ein Problem für die Landwirtschaft. Weil fruchtbare Ackerflächen inzwischen auch als Kapitalanlagen und Spekulationsobjekte zweckentfremdet werden, sind sie inzwischen so teuer, dass der Kauf von Flächen mit umwelt- und sozialverträglicher landwirtschaftlicher Tätigkeit kaum noch refinanziert werden kann. Stattdessen werden sie häufig versiegelt oder für die industrielle Landwirtschaft genutzt – und somit zerstört.

Diesem Trend möchte der Ackersyndikat e.V. etwas entgegensetzen. „Wir schaffen als Solidarverbund eine Struktur, über die landwirtschaftliche Flächen dem Kapitalmarkt entzogen werden und dauerhaft entprivatisiert erhalten bleiben können“, erklärt Jost Burhop, der den Verein vor rund einem halben Jahr mitgegründet hat. „Wir sehen uns damit auch als Teil einer sozial-ökologischen Transformation von unten und schaffen eine dezentrale Organisationsstruktur für solidarische, selbstorganisierte Kollektive. Auch dem Höfesterben treten wir damit entgegen und unterstützen Landwirt*innen bei der Hofübergabe.“

Die Idee für das Ackersyndikat hat ihren Ursprung in der erfolgreichen Geschichte des Mietshäuser Syndikats (MHS). 1992 ist das MHS aus dem Häuser- und Mietkampf um die Grether‘sche Fabrik in Freiburg hervorgegangen. Die Ziele heißen damals wie heute: Gemeineigentum an Haus und Grund, bezahlbarer Wohnraum für alle und Solidarität zwischen den selbstorganisierten Hausprojekten. Inzwischen gibt es deutschlandweit 161 Projekte, die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren: Jedes Haus ist im Eigentum einer eigens gegründeten Haus-Besitz-GmbH mit zwei Gesellschaftern, dem Hausverein der Bewohner*innen auf der einen Seite und der Mietshäuser Syndikat GmbH auf der anderen Seite. Letztere ist als Wächterin über die Unverkäuflichkeit der Immobilie beteiligt. Ihr Stimmrecht ist auf wenige Grundlagenfragen beschränkt, während der Hausverein über alle Belange des Zusammenlebens selbstbestimmt entscheidet.

Das nötige Kapital für einen Hauskauf setzt sich neben normalen Bankdarlehen vor allem aus Direktkrediten zusammen, also aus zinsgünstigen Krediten von solidarischen Einzelpersonen, Gruppen und bestehenden Projekten. Wenn ein Projekt den Großteil seiner anfänglich für Kauf und Baukosten aufgenommenen Darlehen getilgt hat, werden die Überschüsse nicht zur Senkung der eigenen Miete verwendet, sondern über Direktkredite und einen gemeinsamen Topf, den Solidarfonds, zugunsten neuer Hausprojekte verteilt. Alle Hausprojekte sind selbstverwaltet und unabhängig, entscheiden jedoch gemeinsam und im Konsens über die Belange des Projektverbunds.

„Der Kerngedanke des MHS ist nicht weit entfernt von der Entprivatisierung landwirtschaftlicher Flächen. Es gibt auch bereits Projekte im MHS, die landwirtschaftliche Flächen gekauft haben, allerdings hat dies nur in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie der Kulturlandgenossenschaft funktioniert“, erklärt Jost Burhop. „Daher haben wir mit dem Ackersyndikat eine Ergänzung zum MHS gegründet, um die Grundideen und Strukturen des MHS auch für landwirtschaftliche Fläche zu nutzen.“ Das Ackersyndikat kopiere im Grunde die Strukturen des MHS und könne dabei sehr viel Wissen und weitere Ressourcen des MHS verwenden.

Allerdings sind die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft teilweise anders als auf dem Wohnungsmarkt. Mit dem Grundstückverkehrsgesetz gibt es beispielsweise besondere Bedingungen, welche die Landkäuferin erfüllen muss, um landwirtschaftliche Flächen kaufen zu können. Ein anderes eher vorteilhaftes Beispiel ist, dass mit sozial-ökologischer Landwirtschaft einige anerkannte Gründe für Gemeinnützigkeit vorliegen, weshalb der Ackersyndikat e.V. gemeinnützig sein kann. Beim MHS ist das nicht möglich, weil günstiger Mietraum nicht (mehr) als Grund für anerkannte Gemeinnützigkeit gilt.

Für die Gründungsmitglieder des Ackersyndikats ist ihr Verein die konsequente Fortführung des Grundgedankens der Solidarischen Landwirtschaft. Nicht nur der landwirtschaftliche Betrieb und Vertrieb werden dann nach solidarischen Prinzipien organisiert, sondern auch das Flächen- und Hofeigentum. Die Kombination von Solawi und Ackersyndikat führe zu Höfen, auf denen Privateigentum im Grunde keine Rolle mehr spielt und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. So würden Hierarchien aufgebrochen, Einzelpersonen entlastet und Verantwortung demokratisch verteilt. Die Solawi ist nicht mehr abhängig von einer einzelnen Landwirtin, und der Solidarverbund kann einzelne Projekte mit finanziellen Hilfen, Erfahrung und Wissen unterstützen. Jost Burhop ergänzt: „Und natürlich wird auch die Unverkäuflichkeit der landwirtschaftlichen Flächen der Solawi gesichert.“

Im Unterschied zu Genossenschaften wie „Kulturland“ oder „BioBoden“ steht die Selbstverwaltung der Höfe im Mittelpunkt. Der Solidarverbund hat nur beim Verkauf von Flächen oder bei einer Änderung der Bewirtschaftungsweise ein Mitspracherecht. Die lokalen Nutzer*innen der Höfe und Flächen sind also weitgehend autonom. Bei den Genossenschaften ist das Kapital hingegen zentral gebündelt und alle Kapitalgeber*innen sind mit Stimmrecht beteiligt. „Das Sagen haben dort letztlich größtenteils Menschen, die nicht auf den Höfen leben“, sagt Burhop. „Zudem leisten sie keine Sicherung des Landes als unverkäufliche Commons.“ Bei der Kulturlandgenossenschaft schreibe die Satzung beispielsweise noch nicht mal eine Zustimmung der Mitgliederversammlung für einen Verkauf von Immobilien oder Geschäftsanteilen vor.

Außerdem erzeugen Genossenschaften einiges an Organisationskosten, die dazu führten, dass die von den Projekten eingeworbene Umfeldfinanzierung dem Hof nicht voll zugutekommt. Das Ackersyndikat setzt hingegen – wie auch das MHS – auf ein Konzept von ehrenamtlicher Hilfe zur Selbstermächtigung. Dass das eine zusätzliche Arbeitsbelastung für Landwirt*innen und Solawi-Mitglieder sein kann, ist Burhop bewusst. Deshalb plädiert er dafür, dass die Arbeit auf viele Schultern verteilt wird: „Sobald ein solidarisches Kollektiv hinter dem Projekt steht, halten wir das für durchaus machbar.“ Außerdem sei die Arbeitsbelastung in der Landwirtschaft meistens saisonal unterschiedlich. So könnten zum Beispiel im ruhigeren Winter der GmbH-Jahresabschluss und Mitgliederversammlungen erledigt werden.

Als nächstes will der Verein die Satzungsvorlagen für die Hofvereine und die Hof-GmbH erstellen und ein Leitbild sowie Kriterien für die Aufnahme von Projekten erarbeiten. Im Sommer soll dann die erste Beteiligung an einem Hofprojekt stattfinden. Ein paar Fragen seien aber noch offen, zum Beispiel wie genau ein Solidartransfer von Altprojekten zu Neuprojekten stattfinden kann.

Weitere Infos: https://ackersyndikat.org/, https://www.syndikat.org/de/

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 4/21 von OXI – Wirtschaft anders denken. Link: oxiblog.de

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