Es war eine Premiere für mich. Ob sie gelungen war? Naja, ich würde sagen, es war noch Luft nach oben. Aber immerhin: Neben den Vertretern von DKP und Linkspartei hatte ich die Möglichkeit, meine Ideen von anarchistischer Organisierung darzustellen. In der Podiumsdiskussion zum Thema „Reform oder Revolution“ ging es um systemüberwindende Alternativen und Wege zum Sozialismus. Da konnte eine anarchistische Sichtweise auf jeden Fall nicht schaden. Auch wenn ich dabei vielleicht noch mehr gelernt habe als meine Zuhörer*innen…
Schlagwort: Demokratie
Der Begriff Utopie ist nicht ungefährlich. Macht er doch den Eindruck, als wäre der gewünschte Zustand unerreichbar. Eine Utopie existiert nicht, sie ist reines Wunschdenken. Sie ist eine fiktive Gesellschaftsordnung, die mit den aktuellen Verhältnissen nichts mehr zu tun hat. Macht es also Sinn, ihr hinterherzujagen? Sollten wir uns nicht lieber auf das konzentrieren, was heute möglich und realistisch ist und unsere Energie in konkrete Veränderungen stecken – auch um unseren Kritiker*innen den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Sie hat wahrlich keinen guten Ruf, aber das völlig zu Unrecht. Obwohl Anarchie von den meisten Menschen ausschließlich mit Chaos und Gewalt in Verbindung gebracht wird, bietet sie in Wahrheit einen realistischen Ansatz für ein solidarisches und gleichberechtigtes Miteinander, das sich an unseren Bedürfnissen orientiert und auch unsere natürlichen Lebensgrundlagen schützt. Aufklärung tut also Not, denn wo wie es ist, kann es nicht bleiben. Muss es aber auch nicht, denn es gibt bereits Alternativen – theoretisch und auch praktisch.
Mit 1300 anderen Menschen bin ich am Wochenende durch die Kasseler Innenstadt gelaufen, um gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA zu demonstrieren. In ganz Europa liefen zeitgleich ähnliche Aktionen, in mehr als 1000 Städten. Klingt beeindruckend. Trotzdem wollte sich bei mir keine richtige Euphorie einstellen. Bin ich etwa „demomüde“ geworden? Wieso kann ich mich an einem solchen Erfolg, der vielen Menschen viel Vorbereitung, Vernetzung und Mühe kostete, nicht richtig freuen?
Es sind bescheidene Töne, die Ingo Schulze anschlägt – und gerade das macht sie so authentisch. Der Schriftsteller hat mit „Unsere schönen neuen Kleider“ ein Buch über die Krise geschrieben. Irgendwie zumindest. Vielmehr hat er eine Rede niedergeschrieben, die er im Februar 2012 im Schauspielhaus Dresden gehalten hat. Diese Rede dreht sich allerdings nicht um beinharte Fakten wie die griechische Staatsverschuldung, das deutsche Wirtschaftswachstum oder die Zinssätze der Europäischen Zentralbank. Nein, es geht um viel Banaleres – und um viel Wichtigeres.
Wer die Welt verändern möchte, kann dabei unterschiedliche Strategien verfolgen. Und nicht selten gehen die Meinungen über diese Strategien auseinander: Sollte man sich lieber erreichbare Ziele setzen und somit auf kleine Erfolgserlebnisse hinarbeiten, die vielleicht nicht den großen Umsturz bringen, aber zumindest punktuelle Wirkung entfalten? Oder muss man das Unmögliche fordern, um überhaupt in die Nähe der großen Ziele zu gelangen und sich nicht mit Pseudolösungen abspeisen zu lassen, die an den wirklich fundamentalen Begebenheiten nichts ändern?
Im ersten Augenblick bin auch ich zusammengezuckt. Anarchisten? Das sind doch gefährliche Chaoten, die in völliger Gesetzlosigkeit leben wollen. Sie sind böse, gewalttätig, rebellieren gegen die Polizei und wollen alles zerstören, was uns lieb und teuer ist. Oder? Tatsächlich lohnt sich ein genauerer Blick auf die Bewegung des Anarchismus – und vor allem auf seine Ideen. Dabei stellt man nicht nur fest, dass in der Öffentlichkeit bewusst ein völlig falsches Bild der Anarchisten installiert wurde, sondern auch, dass es heutzutage bereits anarchische Strukturen gibt, die sich nicht zuletzt in der Occupy-Bewegung widerspiegeln.
Es waren Tausende. Bestens ausgerüstet und mit einem ausgereiften Plan im Gepäck blockierten die Demonstranten die wichtigsten Kreuzungen, umzingelten die Gebäude und brachten einen großen Teil der Stadt zum Erliegen. Sie blieben friedlich – auch als die Polizei mit Tränengas und Schlagstöcken anrückte. Die Aktivisten setzten ein Zeichen, das die Welt so schnell nicht vergessen wird.
Eigentlich wusste ich, was mich erwartet. Asambleas sind inzwischen ja kein Neuland mehr für mich: Handzeichen, Rednerliste, Moderator und Protokollant – ja, das sagt mir alles was. Trotzdem hatte ich ein mulmiges Gefühl, als ich mich nach meinem Umzug zurück in den Ruhrpott zum ersten Mal auf den Weg zum Treffen von Occupy Dortmund machte. Welchen Menschen würde ich dort wohl begegnen? Wie reagieren sie auf neue Gesichter wie meines? Werde ich mich wohl fühlen? Und werde ich mich überhaupt irgendetwas beitragen können?
Eigentlich sollte die Sache längst in trockenen Tüchern sein. Am gestrigen Sonntag, 1. Juli, sollten ESM und Fiskalpakt in Kraft treten. Um dieses Ziel zu erreichen wollte die Regierung in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause, in der letzten regulären Plenarsitzung des Bundestages die Gesetzesvorlagen zügig absegnen lassen – in einer Nachtsitzung an einem Freitagabend.