Ich bin überfordert, schlicht und ergreifend überfordert. Immer wieder spüre ich den Impuls, mich zurückziehen, mich mit dem Thema Asylpolitik nicht mehr zu beschäftigen und mich an anderer Stelle zu engagieren. Gleichzeitig weiß ich: Das geht nicht! Es geht hier um so viel, es steht so viel auf dem Spiel, dass ich nicht einfach einen Rückzieher machen kann – auch wenn es bequemer wäre.
Schlagwort: Flüchtlinge
Nach dem Rechtsstreit um die NO IMK-Demo in Köln hatte ich einiges erwartet, als ich mich am Wochenende auf den Weg nach NRW machte. Aber entgegen der vielen Befürchtungen wurde die Veranstaltung ein voller Erfolg: Die rund 3000 Demonstrant*innen konnten beinahe ungestört ihrer geplanten Route durch die Innenstadt folgen, eine Gegendemo von HoGeSa-Anhängern wurde verboten und der Einzelhandel ärgert sich über Umsatzeinbußen am Nikolaustag.
Es läuft mir kalt den Rücken runter, als er neben mir steht. Er schreit, aber ich verstehe seine Sprache nicht. Und trotzdem kann ich sie spüren, seine Verzweiflung, seine Angst und seine Sehnsucht. Er ist auf der Flucht: In der Hoffnung auf ein besseres Leben hat er sich in ein Boot gesetzt, das ihn an die europäische Küste bringen soll. Und das obwohl so viele seiner Freunde diese Reise nicht überlebt haben.
Alles ist gut. Keine Sorge. Krise? Ja, wo ist sie denn? Die Medien werfen uns tagtäglich apokalyptische Meldungen um die Ohren – und doch scheint bei der wohl verdienten Shoppingtour durchs sommerliche Städtchen alles seine gewohnten Bahnen zu gehen: Die Einkaufstüten in der einen, die Currywurst oder das Eis in der anderen. So lässt es sich doch leben, oder? Störungen sind da unerwünscht. Stress und Trubel hat man unter der Woche schon genug, da möchte man doch zumindest in Ruhe das Wochenende genießen.
Es könnte so einfach sein. Die Demonstration am Wochenende mit anschließender kalten Volxküche („Vokü“) hat es mal wieder bewiesen: Die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand zu schauen ist da. Aber sie muss geweckt werden. Von alleine gehen viele Menschen die offensichtlichen Probleme im Alltag nicht an. Oft müssen sie erst mit der Nase drauf gestoßen werden, damit sie ihr eigenes Handeln in Frage stellen – und am besten liefert man den passenden Lösungsvorschlag gleich mit dazu.
Es war wirklich ein schönes Bild – und ein gutes Gefühl. Letzten Sonntag zogen wir mit rund 300 Demonstranten durch die Würzburger Innenstadt, um uns mit den Asylbewerbern zu solidarisieren, die vor zehn Tagen in den Hungerstreik getreten sind. Mit lauten Samba-Rhythmen ging es im strahlenden Sonnenschein durch die Stadt. Im Grunde war die Demo zu schön für den traurigen Anlass. Aber sie hat ihren Zweck erfüllt, denn sie hat Aufmerksamkeit erzeugt – und das ist schwierig genug.
Ein Tag hat 24 Stunden. Eigentlich viel zu wenig. Wer einen Job hat, sich nebenbei in irgendeiner Weise engagiert und eventuell noch ein paar Hobbys in der Wochenplanung unterbringen will, hat da schnell ein Problem. „Zeit hat man immer“, hörte ich vor kurzem jemanden sagen. „Es ist nur die Frage, wofür man sie sich nimmt.“ Eine schöne Vorstellung – aber stimmt das wirklich?