Wer die Welt auf den Kopf stellen will, verliert schon mal den Überblick. Kein Wunder, eine radikale Transformation zielt schließlich auf eine umfassende Veränderung unserer Lebensweise ab – ein großes und unübersichtliches Vorhaben. Mit »Die Welt auf den Kopf stellen« möchte das I.L.A. Kollektiv Menschen in sozialen Bewegungen dabei unterstützen, ihren Platz in Transformationsprozessen zu finden und von dort aus strategisch zu handeln.
Das Handbuch ist klar strukturiert: Die fünf Kapitel beginnen jeweils mit einer theoretischen Annäherung an das jeweilige Thema, zum Beispiel »Solidarische Gegen-Hegemonie aufbauen« oder »Transformation durch Eskalation?«. Danach folgen verschiedene strategische Bausteine, die im Zusammenhang mit dieser Theorie bearbeitet werden können. Zu jedem dieser Bausteine bieten die Autor*innen passende Übungen an, die sie entweder selbst erarbeitet oder anderen Quellen entnommen haben. Ausgewählte Literaturhinweise helfen, wenn Leser*innen sich noch intensiver mit einem der Themen auseinandersetzen wollen.
Eine Landkarte bildet die Inhalte des Buches ab, sodass Lesende sich orientieren und verorten können: Welches Thema beschäftigt mich im Moment? Welche Fragen stellen wir uns als Gruppe? Welche blinden Flecken haben wir in unserer politischen Arbeit? Das Handbuch muss also nicht von vorne bis hinten durchgelesen werden.
Die Themenauswahl überzeugt und greift viele wichtige Aspekte von radikaler Transformation auf, so etwa die Bedeutung einer intersektionalen Perspektive, die Widersprüche von Aktivismus und Realpolitik, das Verhältnis zum Staat oder der Umgang mit kollektiven Traumata. Die Autor*innen stellen klar, dass das Handbuch kein Masterplan sein kann und soll, sondern vielmehr ein Beitrag zu Transformationsstrategien sozialer Bewegungen im deutschsprachigen Raum. Beim Schreiben war das Kollektiv selbst mit der Herausforderung konfrontiert, Transformation als offenen Prozess zu betrachten und dabei entstehende Widersprüche auszuhalten.
Das I.L.A.-Kollektiv knüpft mit dieser neuen Publikation an zwei vorangegangene Bücher an: In »Auf Kosten anderer« wird das Konzept der imperialen Lebensweise vorgestellt, während »Das Gute Leben für alle« (siehe auch CONTRASTE-Schwerpunkt Nr. 452, April 2022) solidarische Alternativen aufzeigt, die schon heute an vielen Orten gelebt werden. Die Frage, wie der Weg von einem zum anderen aussehen könnte, versucht nun dieses Handbuch zu beantworten. Die theoretischen und praktischen Bausteine bieten eine Menge Potenzial, um in politischen Gruppen, Bündnissen oder auch als engagierte Einzelperson die eigene Arbeit zu reflektieren. Gleichzeitig ist und bleibt es eine Herausforderung, sich im Angesicht der zahlreichen Krisen immer wieder die Zeit dafür zu nehmen. Doch es lohnt sich.
I.L.A. Kollektiv (Hrsg.): Die Welt auf den Kopf stellen – Strategien für radikale Transformation. Oekom Verlag, München 2022, 127 Seiten, 22 Euro
Das Buch ist online als Open Access verfügbar.
Link: ilakollektiv.org
Diese Rezension ist zuerst in CONTRASTE Nr. 459, Dezember 2022 erschienen.