„Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen“, sagte einst Sokrates. Bei der gestrigen Demo zum Aktionstag 15. Januar baumelte es um meinen Hals, in Großbuchstaben auf einem neongelben Plakat – und das hatte einen guten Grund. Für mich steckt in diesem Satz so viel mehr als nur eine alte griechische Weisheit, die man sich an die Pinnwand hängt.
Er beinhaltet einen Teil meiner Lebenseinstellung. Eine Einstellung, die ich gestern mehr oder weniger öffentlich demonstriert habe, die ich aber eigentlich jeden Tag umsetzen möchte. Im Grunde sollte das Plakat nicht nur bei Demonstrationen um meinen Hals hängen, sondern jeden Tag…eine interessante Vorstellung irgendwie. Aber zurück zur Demo…
Wir waren da
Ich habe mich bewegt, um die Welt zu bewegen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sind durch die Würzburger Innenstadt gezogen und haben unserem Unmut über die vielen Missstände auf der Welt Ausdruck verliehen: Dass immer weniger Menschen immer mehr Geld anhäufen, dass der Kapitalismus soziale und ökologische Gedanken fast völlig überschattet, dass immer noch eine Milliarde Menschen hungert … und und und. Diese Liste ließe sich ins Unendliche fortführen. Am schlimmsten aber ist, dass sich offenbar nichts ändert. Dass es Menschen gibt, die von diesem System profitieren und einen Wandel verhindern wollen. Trotzdem sind wir genau für diesen Wandel auf die Straße gegangen. Wir waren zwar keine Massen (die Polizei zählte ungefähr 120 Teilnehmer, ich habe 150 geschätzt), aber wir waren da – und das ist, was zählt.
Ein bisschen Zeit investieren
Ich habe mich bewegt, um die Welt zu bewegen – indem ich Zeit investiert habe. Die Organisation der Demo war im Grunde keine große Sache, aber die Arbeit musste nun mal gemacht werden. Zum Glück hatten wir genug Mitstreiter, so konnten die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden. Jeder trug seinen Teil zur Demo bei – je nach seinen Fähigkeiten und Kapazitäten. Das zeigt: Man muss nicht sein ganzes Leben auf den Kopf stellen, seine Arbeit vernachlässigen oder seine heilige Freizeit aufgeben, wenn man die Welt ein bisschen besser machen möchte. Ein kleiner Beitrag kann schon genügen. Und allen Skeptikern kann ich versichern: Eine solche Aktion gemeinsam mit anderen Menschen auf die Beine zu stellen, ist eine weitaus schönere Erfahrung, als sich abends vor den Fernseher oder den Laptop zu hocken ;)
Über den eigenen Schatten springen
Ich habe mich bewegt, um die Welt zu bewegen – indem ich über meinen eigenen Schatten gesprungen bin. Eine Demo zu organisieren ist die eine Sache. Sich selbst ans Mikro stellen die andere. Es war das erste Mal, dass ich bei einer solchen Veranstaltung etwas vorgetragen habe. Das kostete natürlich einiges an Überwindung, zumal mein Beitrag relativ persönlich war und ich überhaupt nicht einschätzen konnte, wie er bei meiner Zuhörerschaft ankommt. Die Nervosität war groß – aber auch schnell überwunden.
Es ist ein tolles Gefühl, seine eigenen Gedanken zu teilen und eine solch positive Resonanz zu bekommen. Das gibt Kraft und bestätigt, dass man nicht allein und auf dem richtigen Weg ist. Ich bin überzeugt davon, dass viele Menschen einiges zu sagen hätten, wenn sie nur die Möglichkeit und den Mut dazu hätten. Solche Demonstrationen können helfen, dass endlich das zur Sprache kommt, was nie laut ausgesprochen wird, obwohl es dringend nötig werde. Mehr davon! Diese Stimmen müssen lauter werden, damit sich in der Welt tatsächlich etwas ändert.
Nach der Demo
Ich habe mich bewegt, um die Welt zu bewegen – aber jetzt ist die Demo vorbei. Die Leute sind nach dem letzten Redebeitrag relativ schnell verschwunden. Kein Wunder, bei der Kälte! Aber wie geht es weiter? Wer bewegt die Welt weiter, wenn sich niemand durch die Straßen bewegen, um zu demonstrieren? Ganz einfach: Jeder Einzelne. Wir alle. Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, die das System beeinflussen – entweder wir unterstützen es oder wir versuchen, Alternativen zu schaffen und zu nutzen: Ob beim täglichen Einkauf, bei der eigenen Ernährung, bei unseren Fortbewegungsmitteln, unseren Girokonten oder auch bei den Medien, die wir konsumieren. Jeder kann sich fragen: Kümmere ich mich darum, welche Auswirkungen mein Handeln hat/haben könnte? Weiß ich, was mit dem Geld auf meinem Sparbuch passiert? Fühle ich mich noch vertreten durch die Politiker? Lebe ich eigentlich so, wie ich es mir wünsche? Wie sollte die Welt meiner Meinung nach aussehen?
Kleine Schritte
Es ist ein erster Schritt, sich diese Fragen zu stellen. Sich in kleinen Schritten zu bewegen, um die Welt zu bewegen. Eigene Entscheidungen zu hinterfragen und nicht einfach alles hinzunehmen, was einem als normal aufgetischt wird. So fängt es an. Im Kleinen. Und irgendwann, wenn die Menschen ihre Fragen und ihre Antworten darauf vereinen, wie gestern bei der Demo in Würzburg, dann kann etwas Größeres etwas daraus entstehen. Und die Welt bewegt sich ein kleines bisschen – hoffentlich endlich in die richtige Richtung.
Noch eine Anmerkung: Bei der Demo kam mir ein Mann mit seinem kleinen Sohn entgegen. Er sagte: „Das sind alles Deppen, die nichts zu tun haben.“ Leider fehlten mir die Worte, um direkt darauf zu kontern – wie so oft. Würde ich ihn noch einmal treffen, würde ich ihm Folgendes sagen: Man kann sich meiner Meinung nach mit sehr viel weniger sinnvollen Dingen beschäftigen, als für eine bessere Welt auf die Straße zu gehen. Wir haben in Wahrheit nämlich sehr viel zu tun. Und es wäre schön, wenn Männer wie Sie sich daran beteiligen würden, anstatt aus der Entfernung über uns zu urteilen und die Welt einfach so zu nehmen, wie sie ist.
Und hier gibt es Fotos von der Demo in Würzburg.
Vielen Dank für diesen wunderbaren und motivierenden Artikel!
Ein sehr schöner Artikel. Ich gratuliere zur erfolgreichen Organisation und deinem Vortrag. Ich weiß, es gehört eine schöne Portion Mut dazu vor so vielen Leuten zu sprechen, aber ich finde auch, dass es das wert ist weil man viel zurück bekommt.
Natürlich wollen jene, die davon profitieren einen Wandel verhindern, aber ich glaube nicht, dass es ihnen gelingt. Ich denke, dass sich der Prozess langsam weiterentwickelt aber nicht aufzuhalten ist.
Ich alleine habe in meinem näheren Umfeld bereits mehrere Personen dazu bewegt, aufmerksamer zu werden und umzudenken und diese werden es wiederum bei anderen schaffen.
Manche Menschen erreicht man nicht, aber von denen wird wiederum ein Teil mit der Masse schwimmen, sobald mehr Leute umdenken..
Ich habe ein gutes Gefühl und bin zuversichtlich ;o)
Nicht nur Sokrates hatte sich so Gedanken gemacht zu dem Thema Veränderung:
„Willst Du Dein Land verändern,
verändere Deine Stadt.
Willst Du Deine Stadt verändern,
verändere Deine Straße.
Willst Du Deine Straße verändern,
verändere Dein Haus.
Willst Du Dein Haus verändern,
verändere Dich selbst.“
Arabisches Sprichwort
Zumindestens war mir das noch eingefallen =8) und ich finds super das du dich so für Veränderung einsetzt!
ja es war kein schlechter tag und er war vor allem sinnbringend mit seinen vielen aktionen.
deine rede mit sven war verständlich und bewegend.
das gesamte hat sicherlich uns allen freude bereitet.
lg
martina